Der Reinighof im Fernsehen!
In Südwest 3 "Natürlich,
13.8.2019
Einfach auf's Bild klicken. Viel Spaß!
und noch ein Beitrag von 2015:
http://www.swr.de/landesschau-rp/biotopia-reinighof-leben-im-einklang-mit-der-
Einfach aussteigen, das ist der Traum vieler Erwachsenen.
Auf dem Reinighof in der Pfalz weit außerhalb des Dorfes
Bruchweiler-Bärenbach hat die Suche nach anderen Lebens-
formen eine lange Traditition.
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"Das Schöne an dieser Insel im Wald, das sind die Wiesen, die Wolken,
das sind die roten Sandsteinfelsen, die vielen Tiere, die es hier gibt,
die Menschen, die hierherkommen, die sich hier begegnen, Konzerte,
Kunstveranstaltungen, tolle Vorträge, Kinder, die Waldspielgruppe":
Christian Siry lebt mit seiner kleinen Familie seit drei Jahren auf dem
Reinighof in der Südpfalz.
Christian Siry
Der Landschaftsgärtner liebt es, die Natur zu fühlen, zu riechen und zu
schmecken. Er ist ein Mann für's Grüne: "Die Bärwurz wächst vor allen
in bergigen Regionen. Vor allem die Wurzel ist sehr heilkräftig, aber auch
die Blätter. Sie schmeckt gut, sehr würzig, stärkt das Immunsystem und
macht das Blut frisch", erklärt er.
Die Pioniersiedlung Reinighof liegt mitten im Pfälzer Wald bei Bruchweiler-
Bärenbach, weitab von allem. Sechs Erwachsene und der kleine Noah leben
hier. Mama Janina Feuerer ist Grundschullehrerin. Sie alle wollen besser
leben – ökologisch und nachhaltig. Ein Forschungsprojekt sagen sie und
nennen ihre Insel "Biotopia".
Janina Feuerer
Selbstversorgung ist auf Biotopia wichtig. Das Wasser kommt aus eigener
Quelle, der Strom vom eigenen Dach und das Gemüse aus eigenem Garten.
"Karotten, Pastinaken, was wir dann in Sandkisten einlagern, also einfach
feuchten Sand, und dann die Karotten rein und Pastinaken. Das Ganze schön
vergraben und da halten die sich ganz gut", erzählt sie beim Zubereiten eines
Salats. "Das ist Wissen, das bestimmt auch mal überlebensnotwendig sein
könnte. Ich finde, es ist sehr, sehr wertvolles Wissen."
In der Werkstatt arbeitet gerade Thomas Kölsch. Der gelernte Stahlgießer
und Zimmermann ist hier der Opa, wie er sagt. Er lebt seit 1986 hier. Für ihn
ist das Stück Land mit seinen Wiesen und Wäldern ein Geschenk. Hier kann
er Werte leben, sagt er: "Das Projekt gibt es seit 1978, hat als Landwirtschafts-
projekt angefangen, auch mit gemeinsamer Ökonomie und alles zusammen.
Es gab Weiterentwicklungen, aber auch Rückschritte."
Der "Opa" vom Reinighof: Thomas Kölsch
Es kamen andere Menschen, dann andere Ideen. Man verdiente gemeinsam
Geld in eine Kasse. Doch 2012 war die Kommune am Ende. Jetzt der Neustart:
"Wir gehen jetzt nach außen arbeiten", erklärt Thomas Kölsch. "Das Ganze,
was wir hier für Haus und Hof und Verein machen, machen wir ehrenamtlich."
Das Projekt Biotopia wurde geboren - Kooperation statt Konkurrenz. Nachhaltig
leben und Botschafter sein für die Natur, das sind die Ziele. "Die Offenheit
wächst", sagt Christian Siry. "Es kommen immer mehr Leute hierher, die gucken,
was wir machen. Das Prädikat des Bürgermeisters war: 'Man kann schon wieder
vorbeilaufen, ohne dass mer sich uffresche muss'."
Der Lieblingsplatz des Landschaftsgärtners ist eine alte Eiche, die gerade zu
neuem Leben erwacht. 2012 stürzte sie, treibt nun jedoch neu aus - ein Symbol
für Biotopia.
Kochen, was im Garten wächst: Salat mit Blüten
"In unserer Vision geht es darum, diese Biotopia zu leben und herauszufinden,
wie es geht. Wir haben dafür kein Rezept. Deswegen heißt es auch 'Unterwegs
nach Biotopia'. Wir forschen, wir probieren aus - über das Zusammenleben, das
Gemüsebeet im Garten, über den Gartenzaun hinaus, die Natur, die drumherum
ist. Wie schafft man es, in Balance, im Gleichgewicht zu sein?"
Die großen Fragen des Lebens treiben die Biotopisten. Klar, auch sie nutzen das
Internet. Aber ein wirklich modernes Leben ist für Christian Siry nur mit der Natur
möglich.
Christoph Würzburger / Manuela Hübner
Magazin Anderes Lernen
Verwurzeln
Von Bagdad nach Bärenbach
„You are living in the middle of no where!“ sagt der 22 jährige Abdullah, als wir
vor dem Reinighof parken. Mitten im Pfälzer Wald, Alleinlage, Inselstromanlage
und eigene Quelle. Er kommt aus einer riesigen Metropole, einem brodelnden
Hexenkessel, beinahe täglich erschüttert von Explosionen.
Wenig später sitzt er mit den anderen Kursteilnehmern im Kreis ums Lagerfeuer
und schnitzt an seinem Holzlöffel. Geduldig bläst er die Glut an, mit dem er die
Vertiefung ins Holz brennt. Sein Cousin Mohammad hat ihn mitgebracht, zum
Wildnisbasiskurs der Wildnisschule Donnersberg, in Cooperation mit dem Reinig-
hof e.V., frischgebackenes Mitglied der LAG Anderes Lernen. Mo, wie ihn alle
nennen, ist schon mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen, spricht nicht
nur perfekt deutsch, sondern auch fließend pälsisch und ist nicht nur bestens
integriert, sondern integriert auch bestens. Er übersetzt Abdullah abwechselnd
ins englische und ins arabische.
Verwurzeln ist die Überschrift des Kurses, Wurzeln spüren im Miteinander sein
in der Natur. Glutbrennen, Feuer mit dem Drillbogen machen, einen Wasserfilter
aus Sedimenten und Moos bauen, schleichen, Schnüre aus Brennnsesselfasern
zwirbeln und vieles mehr: Praktische Handfertigkeiten, die die Teilnehmer im Tun
fest verwurzeln auf der Erde, auf der wir gehen und stehen, schon seit vielen
hunderttausend Jahren. Das Feuer ist der zentrale Sammelpunkt, welches einen
jeden Menschen wärmt, egal wo er herkommt, an was er glaubt, was er getan
und was er gelassen hat. Und auf ihm steht der Topf mit der Suppe, die wir ge-
meinsam kochen und auch auslöffeln.
Zunächst scheint der Stadtmensch Abdullah etwas verwundert: Warum sitzen
diese Deutschen, die hier doch im Land des Überflußes leben, so spartanisch hier
mitten im Wald? Aber im gemeinsamen werkeln, lachen und singen wird er bald
Teil des Kreises und fragt schon am Abend, ob er nach dem Kurs noch drei Tage
länger auf dem Hof bleiben kann. Das erste Mal nach seiner langen Flucht und
den drei Monaten in einer Flüchtlingsunterkunft in Lampertheim fühlt er sich auf-
genommen, angekommen, zumindest für eine Weile.
Abdullah hatte Maschinenbau studiert. Im Falaffel Imbiss hinter der Uni detonier-
ten Bomben und töteten seine Freunde. Sein Vater hatte eine florierende Firma.
Dreißig Angestellte, ein Haus mit swimming pool. Leider stand es im falschen
Viertel von Bagdad. Eine mächtige Miliz verprügelte die Angestellten, durchsiebte
die Firma mit Maschinengewehrsalven und legte der Familie somit nahe, schnellst
möglichst zu verschwinden und alles zurückzulassen. Die Hilfe der Polizei bestand
darin, ihnen zu sagen, dass es wohl tatsächlich das beste wäre, zu gehen, denn
sie fühlt sich machtlos. Nur eine von Millionen von Flüchtlingsgeschichten. Doch
diese berührt mich besonders, als er sie mir beim Glutbrennen erzählt. Weil sie
nicht in einer Zeitung steht, sondern weil sie mir ein Mensch erzählt, mit dem ich
gemeinsam ein schönes Wochenende verlebe. Wieder einmal wird mir die Macht
des Kreises bewusst, wo es kein vorne und kein hinten, kein oben und kein unten
gibt. Alle sind in der gleichen Position, alle wärmt das gleiche Feuer. Staatszuge-
hörigkeiten und Religiösitäten spielen in der Wildnis keine Rolle. Dem Feuer sind
sie egal und dem Wald drumherum erst recht.
Gemeinsam bauen wir Laubhütten, der natürliche und voll recyclebare Schlafsack,
der nicht nur wildromantisch ist, sondern im Ernstfall auch vorm erfrieren schützt.
Probeliegen und später dann übernachten, zwischen den Wurzeln der alten Bäume.
„As I left Bagdad for to go to Germany, I don't imagined that I would sleep here like
this, like in the stone age. But it's good!“ Internationales Gelächter. Humor ist auch
grenzenlos.
Abdullah will wieder kommen, zu dem Hof am Ende der Straße,
'in the middle of nowhere'. Gerne darf er auch ein paar Freunde mitbringen.